Die milden Temperaturen küssen uns aus dem Winterschlaf. Sie locken uns ins Freie. Geht man in der Schweiz bei Sonnenschein nicht raus, gilt dies geradezu als Schande. In anderen Breitengraden sieht man das weniger eng…
Gestern war ich
ohne Jacke draussen. Ich spürte förmlich, wie sich die Mamas dieser Welt die
Haare raufen. Doch ich hatte den ganzen Winter über mehr gefroren mit
Jacke. Wenn man so lange in Minusgraden schlottert, sind warme acht Grad
geradezu sommerlich. Und ich war keineswegs die Einzige, die das so sah. An der
Limmat tummelten sich Menschen und Hunde. Alle waren sie aus ihren Löchern
gekrochen um zu spazieren, Gassi zu gehen, zu joggen, Fangen zu spielen, Gras
zu rauchen.
Man gewöhnt sich
an Temperaturen. Wie viele dieser Menschen würden im Hochsommer bei acht Grad
rausgehen? Ich behaupte mal, die wenigsten freiwillig. Soeben ist eine
E-Mail reingekommen von einem Freund, der in Thailand lebt. „Bei uns war es
letzte Woche kalt und hat geregnet. Ich habe richtig gefroren, wir hatten nur etwa 24 Grad…“
Was allerdings
auch einmal gesagt werden muss: Wir Schweizer sind im Allgemeinen extrem
dankbar für jeden Sonnenstrahl. Kaum blinzelt die Sonne hinter den Wolken
hervor, haben wir das ausgesprochene Verlangen, nach draussen zu gehen. Bei
Sonnenschein ins Museum, Kino, Bowlen oder gar Fernsehen? „Spinnsch?? Bi dem
Wätter?!“
Hat jemand schon
mal versucht, dies jemandem in Mexiko oder in Thailand zu erklären? Auf
Verständnis stösst man jedenfalls nicht. „Das Wetter ist doch immer so, wann
möchtest du denn sonst ins Museum?“
Auf
Rucksackreise in Vietnam ging ich in Hoi An in ein Internetcafé, um E-Mails zu
beantworten. Es war ein wunderschöner Sonnentag. Doch was sah ich, als ich
reinkam? Erstens: Jeder Platz war besetzt. Zweitens: Das Internetcafe war
vielmehr ein Zockerparadies. An jedem Computer sass ein etwa zehnjähriger, kippenrauchender Junge, vertieft darin, online irgendwas abzuknallen. Und
draussen Wetter, von dem wir in der Schweiz nur träumen können! Ich war
ziemlich erschüttert.
Trotzdem ergab
das Ganze perfekten Sinn. In Vietnam ist Internet das, was die Wenigsten haben und
deshalb alle wollen. Bei uns sind es Sonnenstrahlen.
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